Keine Social-Media-Plattform macht derzeit so viel Furore wie die Kurzvideo-App TikTok. Braucht deine Community also einen eigenen TikTok-Kanal? Hier die wichtigsten Fakten zur Beantwortung der Frage, ob du mit deiner Community auf die aufstrebende Plattform expandieren solltest:
- Zahl aktiver Nutzer bei 1,5 Milliarden
- 800 Millionen registrierte Nutzer
- in Deutschland 5,5 Millionen Nutzer
Die Tendenz in Deutschland ist rasant steigend. Vor allem die Generation Z und altersmäßig leicht darüberliegende Zielgruppen werden von TikTok magisch angezogen und finden die Plattform absolut hip. Zusehends entsteht in diesen wirtschaftlich so hochinteressanten Zielgruppen ein sozialer Zwang, dort engagiert zu sein.
Parallelen zu Snapchat
Die Entwicklung von TikTok erinnert an den meteorhaften Aufstieg von Snapchat in den Jahren 2015/16. Der Vergleich hinkt nur insofern, als TikTok jetzt schon Nutzerzahlen hat, von denen Snapchat nur träumen kann.
Als Snapchat sich seinerzeit als Facebook-Alternative unter jungen Leuten etablieren konnte, waren schnell die ersten Marketers da. Es wurden plattformspezifische Strategien entwickelt und viele haben ihre Brand-Community durch einen Kanal bei Snapchat ausgeweitet.
Unternehmensstruktur von TikTok
Zwar liegt der Firmensitz von TikTok in Los Angeles, aber die Plattform gehört zu dem chinesischen Konzern Bytedance. In China tritt TikTok unter dem Namen Donyin auf.
Der hierzulande kaum bekannte Konzern Bytedance verfügt über enorme Finanzkraft. Er investiert Milliarden in Ausbau und Promotion der Plattform. Zudem fängt TikTok in einigen Ländern damit an, über Werbung Monetarisierung zu betreiben. Am Geld wird das Wachstum von TikTok nicht scheitern.
Allerdings eilt TikTok der Ruf voraus, dass dort große Bedenken in Sachen Datensicherheit angebracht sind. Wie berechtigt diese Vorbehalte sind, werde ich im 2. Teil dieses Artikels näher ausführen.
Was bedeutet Kurzvideo-App?
Der Content auf TikTok ist weitgehend auf kurze Videos von meist nur ca. 15 Sekunden, höchstens aber 60 Sekunden Länge beschränkt. Noch werden die allermeisten Inhalte von den Nutzern selbst produziert.
Das Leitmotto von TikTok ist Real people, real videos. Diese Devise fordert die kreative Authentizität von Videos. Mit anderen Worten: Das Video kann ruhig so verwackelt sein wie in den frühen Tagen bei YouTube, Hauptsache du machst mit!
Dieses Konzept reflektiert offenbar genau das, womit sich die jungen Leute zu eigener Kreativität herausfordern lassen. Die Nutzung von TikTok kann man nur als intensiv charakterisieren. Die durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer der deutschen User liegt bei bemerkenswerten 50 Minuten.
Die Kurzvideos kommen, wie es bei den wichtigsten Zielgruppen der App nicht anders zu erwarten ist, vor allem mit selbstdarstellerischen Inhalten daher. Thematisiert werden Lifestyle, Beauty, Körpergefühl, Emotionalitäten, Musik, Dancing, Pranking oder Beiträge zu einer Besonderheit der Plattform, den Hashtag-Challenges. Es finden sich aber auch zum Beispiel Cringe-Videos, also Videos mit bewusst peinlichen Inhalten, zum Teil mit Nachdenklichkeit erweckenden Thematiken.
Enormes Potenzial bei jungen Zielgruppen
Bedenkt man, dass TikTok erst 2018 aus der Lip-Sync-App musical.ly hervorgegangen ist, dann lässt die Wachstumsdynamik auf weiteres enormes Potenzial schließen.
Generation Z und die nur wenig Älteren sind bekanntlich die attraktivsten Zielgruppen für das Marketing. Wer einen Jugendlichen für sein Brand begeistern kann, der hat womöglich einen Kunden fürs Leben gewonnen. Da lässt sich auf Dauer nicht an einer Plattform vorbeigehen, auf der die jungen Leute en masse abgeholt werden können.
Ist TikTok ein Must-Have?
Noch wird TikTok eher verhalten für communitygesteuerte Marketingabsichten eingesetzt. Laut einem Artikel von Hubspot herrscht derzeit noch Unklarheit, ob auf der Plattform effizientes Marketing betrieben werden kann.
Die Tatsache, dass sich auf TikTok zusehends Influencer herausbilden, lässt allerdings darauf schließen, dass Marketing auf TikTok Erfolg haben kann. Größere Brands fangen auch schon an, Präsenz zu zeigen. Sogar die konservative Tagesschau hat jetzt einen TikTok-Auftritt.
Für die Zögerlichkeit sehe ich drei Hauptgründe:
- es gibt noch keine spezifischen Unternehmens-Accounts
- die Beschränkung auf sehr kurze Videos macht Storytelling schwierig
- TikToks schlechter Ruf in Sachen Datenschutz
Als Must Have lässt TikTok sich derzeit also nicht bezeichnen. Aber das könnte sich schnell ändern!
Chancen auf TikTok
Wenn du als Community- oder Social-Media-Manager Zielgruppen hast, bei denen Affinität zu TikTok besteht, solltest du zumindest damit anfangen, dir Gedanken darüber zu machen, ob du auf den TikTok-Zug aufspringen solltest. Das gilt ebenso für den Fall, dass du deine Community in die typischen TikTok-Zielgruppen hinein expandieren willst.
Möglichkeiten bietet TikTok einige: Einen umfassenden Überblick kannst du in einem hervorragenden Artikel von Thomas Hutter gewinnen. An dieser Stelle möchte ich mich darauf beschränken, das für die Content-Generierung wichtigste Feature darzustellen, die sogenannten
Hashtag-Challenges
Das Prozedere ist einfach: die Nutzer werden über einen speziell eingerichteten Hashtag dazu aufgefordert, zum Thema dieses Hashtag kreative Beiträge zu leisten. So ein Hashtag kann zum Beispiel so aussehen: #MyBrandKaraokeChallenge. Die Challenges sollen die Kreativität ankurbeln und natürlich Traffic generieren.
Eine Challenge könnte der Community- oder Social-Media-Manager dann mit einer Kampagne oder einem Gewinnspiel verbinden. Dazu muss eine Strategie ausgearbeitet werden, die die Besonderheiten von TikTok und die spezifischen Verhältnisse einer Community aufeinander abstimmt.
Zu bedenken ist, dass deine Kernkompetenz, die Dialogführung, bei TikTok eher nicht herausgefordert wird. Es mag etwas vorurteilsbeladen klingen, aber es deutet wenig darauf hin, dass bei TikTok anspruchsvolle Interaktion stattfinden könnte. Nichtsdestotrotz lassen sich über die Plattform viele Insights gewinnen, die für den Betreiber deiner Community sehr wertvoll sind.
Risiken bei TikTok
Die mit einem eigenen Kanal bei TikTok verbundenen Risiken lassen sich in 3 Kernaspekten zusammenfassen:
- Mangelhafter Datenschutz
- Verbandelung mit dem chinesischen Staat
- Zensurmaßnahmen
Wenn du also deine Community auf TikTok erweitert willst, stehst du in der Verantwortung, diesen Missständen Rechnung zu tragen, indem du ihnen möglichst wenig entgegenarbeitest.
Die datenschutztechnische Nachlässigkeit
Umfragen unter den Zielgruppen, die TikTok bevorzugt nutzen, haben ergeben, dass dort Datenschutz schon ein wichtiges Thema ist. Allerdings besteht bei diesen jungen Menschen noch keine ausgeprägte Sensibilität dafür, dass die Aktivitäten in Social Networks etwas sind, das ihnen ein Leben lang nachlaufen kann.
Auch die Abschöpfung von Material für Big Data ist etwas, worüber viele junge Menschen sich noch nicht so recht im Klaren sind. Durch eine App wie TikTok macht man sich quasi von Kindesbeinen an gläsern.
Das ist bei Facebook und allen anderen Networks zugegebenermaßen nicht anders. Bei TikTok sehe ich dieses Problem zugespitzt, weil das Format Kurzvideo dazu verführt, spontane Video-Einstellungen zu machen, die später als peinlich oder blamabel angesehen werden könnten.
Das kann eventuell Auswirkungen auf die Online-Reputation haben. Zum Beispiel werden Social-Media-Aktivitäten oft zur Bewertung von Jobbewerbern herangezogen. Es ist denkbar, dass dabei frühere Einstellungen von Cringe-Videos zur negativen Beurteilung eines Bewerbers führen.
Zusammenarbeit mit „Datenhaien“
Kürzlich hat Mark Zuckerberg gegen die Zensur- und Sicherheitsprobleme bei TikTok gewettert. »Das sagt der Richtige!« denkt man sofort. Das wahre Motiv von Zuckerbergs Kritik dürfte eher die Angst davor sein, dass TikTok über kurz oder lang an der globalen Vormachtstellung von Facebook und/oder Instagram rütteln könnte.
Besonders heuchlerisch erscheint Zuckerbergs Tirade vor dem Hintergrund dessen, dass TikTok Software von Facebook benutzt. Und das ist nicht alles: TikTok steht in einem ständigen Austausch von Daten mit dem (noch) weltweit größten Social Network.
Das zweite große Unternehmen, das in großem Stil Daten von TikTok abgreifen darf, ist der weltweit agierende Datenhändler Appsflyer. Von dort aus können die Daten, die TikTok über dich und deine Community-Mitglieder sammelt, in alle Welt verstreut werden.
Chinesisches Recht
Das Prekäre bei TikTok ist, dass die Plattform zu einem chinesischen Konzern gehört und damit chinesischen Recht unterliegt. In China aber hat der Staat bei den großen IT-Konzernen, und als solcher muss Bytedance gesehen werden, immer seine Finger im Spiel.
Selbst wenn Bytedance keiner direkten Kontrolle durch den Staat unterliegt, kann der Staat vom TikTok-Eigentümer, wie bei jedem Konzern, Einblick in dessen Daten verlangen. Dafür muss zwar eine Begründung vorliegen, aber gehen wir davon aus, dass sich eine solche schnell finden lässt.
Zensur auf TikTok
Auch wenn das Thema Zensur deine Inhalte wahrscheinlich nicht betreffen würde, so darf nicht daran vorbei gesehen werden, dass bei TikTok Zensur betrieben wird. Unerwünschte politische Inhalte fallen durchs Raster, wie beispielsweise ein Video zur Unterdrückung der Uiguren.
Zudem ist TikTok dadurch unangenehm aufgefallen, dass es Videos mit behinderten oder korpulenten Menschen einfach entfernt hat. Die etwas fadenscheinig klingende Begründung dafür ist, dass man Cybermobbing verhindern wolle. Es kann möglich sein, dass wohl eher verhindert werden soll, dem heilen Glitzerwelt-Image der Plattform Schaden zuzufügen.
Konsequenzen für den Community Manager
Wer sich Gedanken macht, einen Kanal bei TikTok zu gründen, der sollte immer im Hinterkopf behalten, dass seine Daten zuerst von TikTok im Sinne chinesischer Wirtschaftsinteressen ausgewertet werden. Hinzu kommt eine Verstreuung zu anderen Datensammlern; vermutlich kennt man da nur die Spitze des Eisbergs.
Eines lässt sich allerdings nicht verhindern: Jedes Gerät, das mit einem TikTok-Video in Berührung kommt, wird mit einem sogenannten Fingerprinting-Skript analysiert und gespeichert. Dies hat die gleiche Funktion wie Cookies, aber es erfolgt ohne Hinweis und ohne eine Möglichkeit zum Löschen.
Damit stehst du als Community Manager vor einem Dilemma: ist der Verlust an Kontrolle über die bei TikTok generierten Daten es wert, früh auf einer hochgradig zukunftsträchtigen Plattform vertreten zu sein? Andererseits will niemand gerne dabei zusehen, wie ihm Nutzerpotenzial verloren geht, weil die Zielgruppen sich darauf fixieren, TikTok zu nutzen.
Das Mindeste, was zu tun wäre, ist Rücksprache mit dem Betreiber deiner Community zu nehmen, ob er das Plattform-Risiko in Kauf nehmen will. Gibt er sein Einverständnis, weil ihm die Chancen von TikTok das wert sind, solltest du sie dann auch nutzen.
Einen pauschalen Rat zu geben, wie die Missstände bei TikTok zu umgehen sind, ist schwierig. Jedenfalls solltest du für deinen Tik-Tok-Content und -Dialog plattformspezifische Regeln aufstellen, mit denen du in möglichst geringem Umfang in die dort lauernden datentechnischen Fallen tappst. Deinen Usern solltest du klarmachen, bei ihren Interaktionen und ihrem User Generated Content auf Unverfänglichkeit zu achten.