Die Büchse der Pandora ist geöffnet, die schwarzen Schwäne sind losgelassen. Corona hat unsere Gesellschaft eiskalt erwischt, unser aller Lebensrhythmus aus dem Takt gebracht. Die eingespielte Existenzordnung ist über den Haufen geworfen, die Dinge überrollen uns mit ungekannter Eskalationsdynamik.
Eine gespenstische, teils schon surreal anmutende Atmosphäre hat sich entwickelt. Ausnahmezustände, Panikattacken, Hamsterkäufe, Hysterie und Zukunftsängste bestimmen die Reaktionsmuster auf der einen Seite, Verharmlosung, Fatalismus und Corona-Partys auf der anderen.
Wir alle sind in einer existenziell schwierigen Situation gefangen, zu deren Bewältigung wir über keine Erfahrung verfügen. Hinzu kommt der mediale Hype, dem nichts und niemand entrinnen kann. Es ist kaum noch etwas zu sehen, aus dem sich positive Energie gewinnen ließe.
Social Distancing
»Sozialkontakte vermeiden!« ist das Gebot der Stunde, noch (Stand 18.3.) auf weitgehend freiwilliger Basis, aber der totale Lock-Down könnte jederzeit angeordnet werden. Quasi-Quarantäne durch Selbstwegsperrung, zurückgezogen hinter Barrikaden versus Virus — kann das die Lösung sein? Wenn ja, dann bringt sie große Probleme mit sich, aus denen sich für die Sozialpsychologie viele neue Erkenntnisse ergeben werden.
Auch wenn man vom Virus verschont bleibt, so besteht doch die große Gefahr, dass die Situation die Seele krank werden lässt. Mit gesellschaftlicher Abschottung können viele Menschen nicht ohne Weiteres umgehen.
Hinzu kommen die Sorgen um die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen. Besonders hart trifft es Kulturschaffende und Freiberufler, denen die Aufträge wegbrechen und die sich nun massiven Existenzängsten ausgesetzt sehen.
Viele von denen, die jetzt gezwungen sind, sich ganz in ihren Privatbereich zurückzuziehen, werden feststellen, dass sie keine inneren Rückzugsräume haben. Auf sich selbst zurückgeworfen, fallen einige ins Leere. Aus Abgeschlossenheit und Hilflosigkeit können schlimme Aggressionen und teils völlig irrationale und damit unbeherrschbar werdende Ängste erwachsen.
Häusliche Probleme
Leere Schulen und Kitas, das stellt viele Eltern vor ganz neue Herausforderungen: über viele Tage hinweg 24/7 mit Kindern und Jugendlichen auf engem Raum zusammenzuleben, darin hat kaum jemand Übung und Erfahrung. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es den jungen Menschen schwerfällt, die Einschränkungen diszipliniert zu akzeptieren.
Gelangweilte, quengelnde, desorientierte, verstörte oder sogar verängstigte Kinder sind auf verständnisvolle Betreuung angewiesen. Besonders alleinerziehende Mütter und/oder Väter, und erst recht die Berufstätigen unter ihnen, dürften an ihre Belastungsgrenze getrieben werden.
Hinzu kommen die vielen Jugendlichen, denen der Sinn nach Gruppenaktivitäten und Corona-Partys steht. Konflikte mit verantwortungsbewussten Erziehungsberechtigten sind vorprogrammiert. Da wird aus Heraus- schnell Überforderung, und es zeichnet sich ab, dass Frauen die familiäre Hauptlast zu tragen haben werden.
Corona-Koller droht
Noch schwieriger kann es für sie werden, wenn ihre Männer in Kurzarbeit geschickt wurden. Wer in Kurzarbeit gehen muss und damit seine gewohnte Beschäftigung zumindest zeitweise verliert, der hat oft einen leeren Raum in seinem Inneren zu füllen.
Auch Arbeitnehmer, die ins Homeoffice gewechselt sind, müssen sich neu orientieren. Online-Meetings, Telefonate und produktives Arbeiten können erheblich erschwert werden, wenn im Nebenraum oder sogar im gleichen Zimmer Kinder spielen und der damit einhergehende Geräuschpegel die Konzentration stört.
Ob diese Männer bei der Bewältigung der häuslichen Probleme eine Hilfe sein werden oder aber sich als unleidliche Haustyrannen erweisen, das muss sich in jeder Familie noch herausstellen. Für viele Frauen wird es so aussehen: Man hängt aufeinander und fühlt sich doch allein gelassen …
Corona-Koller droht, blankliegende Nerven dürften schnell in häuslichen Unfrieden ausarten — eine hochbrisante Konstellation, die den familiären Zusammenhalt auf eine harte Probe stellt. Bei manchen ist die Gefahr sehr groß, dass sie bei all diesen Stressfaktoren irgendwann zur Momzilla mutieren.
Die Gefahren der Isolation
Für Singles sind die Probleme kaum kleiner. Isolation triggert bei vielen Menschen die Auslieferung an sorgenerfülltes Grübeln und die Ausmalung düsterer Szenarien. Irrationalität beginnt mit ihrem bösen Spiel, sich in den Köpfen dominant in den Vordergrund zu schieben.
Bei vielen besteht die Gefahr, sich in pessimistischen, ja morbiden bis apokalyptischen Gedankengängen zu verlieren. Manche werden anfällig für Verschwörungstheorien oder Narrative vom Zorn Gottes, der auf die sündige Menschheit herabkommt.
Communitys als psychosozialer Kompensationsraum
Ein starkes Bedürfnis nach Ablenkung von der sorgenerfüllten Situation bildet sich heraus. Hier kommen Communitys ins Spiel! Sie sind momentan eines der ganz wenigen Medien, mit denen sich positive Energie schaffen lässt. In den Zeiten von Corona können sie lebensbejahende Gegenwelten zu den sich derzeit stetig übersteigernden Kriesenszenarien sein.
Wir sind in einer Situation, in der die Einstellung »Lasst uns das Beste daraus machen!« äußerst konstruktiv ist. Communitys sind eine großartiges Medium dafür, eben dieses Beste herzustellen. Bei den momentan völlig unkalkulierbaren Gruppendynamiken kann der Austausch mit anderen Betroffenen eine große Hilfe sein, wenn nicht sogar die Einzige.
Aktivitäten im Rahmen von Communitys können da ein Segen sein: in diesen schwierigen Zeiten haben sie das Potenzial, zu einem Stabilitätsanker zu werden. Virtuelle Gemeinschaftlichkeit in Communitys kann entscheidend dazu beitragen, die Substanz, die die jetzige Situation kostet, wieder aufzubauen
Zwischenmenschlichkeit aufrechterhalten
In diesen Tagen braucht es Menschen, die sich dafür engagieren, dass Zwischenmenschlichkeit auch bei stark reduziertem analogem Sozialleben nicht ausdünnt. Räumlich getrennt lassen sich die Menschen doch zusammenbringen: In virtueller Gemeinschaftlichkeit lässt sich ein Ventil für die aufgezwungene Isolation schaffen.
Communitys bieten sogar die Möglichkeit zur Ausweitung seiner sozialen Kontakte, sowohl wenn man über etwas Anderes als Corona reden will, aber ebenso, wenn man sich zu diesem Thema austauschen will, idealerweise pragmatisch und sachgerecht.
Analog Detox duch Community-Aktivitäten
Die möglichen Probleme im erzwungenen häuslichen Zusammenleben brauchen einen Gegenpol, den ich unter dem Begriff Analog Detox fassen möchte. Da du dich für Community Management interessierst, solltest du dich in besonderem Maße gefordert sehen, dich hierfür zu engagieren.
Schaffe dir also eine neue Möglichkeit zur Verwendung deiner Fähigkeit zur Zuwendung durch Engagement in einer Community. Hilf dabei, Depressionsfaktoren und Verunsicherung zu bekämpfen. Allein das Wissen, mit seinen Sorgen nicht allein gelassen zu sein, stellt für viele Menschen schon eine eminent wertvolle Hilfe dar, und diese Hilfe kannst du leisten.
Homeschooling
Auch für Menschen, die nicht direkt mit Community Management zu tun haben, sind jetzt Kenntnisse zu diesem Aufgabengebiet sehr hilfreich. Das Problem, Kinder und Jugendliche sinnvoll zu beschäftigen, lässt sich durch communityähnliche Strukturen in den Griff kriegen.
Zum Teil sind die Schulen in dieser Hinsicht schon initiativ. Sie richten Lernplattformen ein, unter Nutzung von Software wie Microsoft Teams (kostenlos). Die Unterrichtsmaterialien werden digital ausgegeben, der Schulbetrieb wird online abgebildet. Hier sind Lehrkräfte im Vorteil, die sich mit dem Management von Gruppenaktivitäten im virtuellen Raum auskennen.
Doch nicht alle Schulen bieten digitale Klassenzimmer an. Wer nicht will, dass die Kinder ganz ohne Unterricht bleiben, der löst dieses Problem, indem er ein Homeschooling auf die Beine stellt, am besten konzertiert mit anderen Eltern. Das braucht Organisation, und diese lässt sich in Form einer Community wohl am effizientesten durchführen.
Positive Energie schaffen
Koordinierter Austausch von Erfahrungen und Bewältigungsmechanismen kann in dieser Situation der Verengung unseres räumlichen Lebenshorizonts zur existenziell wertvollen Hilfe werden. Er kann Trost geben und eine heilsame, stabilisierende Wirkung entfalten.
Der Appell kann also nur lauten: Engagiere dich in Social-Media-Kanälen und Communitys, um die eingeschränkten oder sogar gänzlich fehlenden Kontakte mit deinen Mitmenschen auf virtuellem Wege zu ersetzen. Mit Recht werden sozialmediale Aktivitäten von Sascha Lobo als informationelles Immunsystem bezeichnet.
Es bietet sich die Chance, eine Community als Medium von Solidarität und Empathie zu etablieren. Solidarität und Empathie sind Werte, die den Menschen in den letzten Jahren immer bedeutungsloser geworden ist — in der jetzigen Lage wird es für alle noch schlimmer werden, wenn sie keine Neubelebung erfahren.
Eigene Community gründen
Nun kann niemand davon ausgehen, dass sich ohne Weiteres eine Community findet, die ganz auf seine Interessensansprüche zugeschnitten ist. Dieses Problem lässt sich jedoch leicht lösen: Baue einfach selbst eine Community rund um die dich interessierenden Themenkreise auf! Die Gründung einer Community ist leichter denn je, und es macht richtig Spaß.
Für diejenigen, die die Initiative ergreifen wollen, bietet sich eine breite Palette von Möglichkeiten, eine Community ins Leben zu rufen. Das kann in Form einer Facebook-Gruppe geschehen, offen oder geschlossen, oder auf einer anderen Social-Media-Plattform. Geeignet sind auch Foren oder Business-Plattformen wie XING oder LinkedIn. Besonders Ambitionierte können auch eine eigene Plattformlösung aufsetzen.
Kompetentes Management
Die Verlagerung der zwischenmenschlichen Lebenssphäre in den virtuellen Raum braucht Struktur. Eine wichtige Voraussetzung sollte daher erfüllt sein, damit das Für- und Miteinander in der Community funktionieren können: sie brauchen einen Mediator, der das Gemeinwesen zusammenhält und moderiert. Die Einzelstimmen der Community müssen in einem homogenen, hilfreichen und qualitativen Diskurs zusammengeführt werden.
Daher bist du als communityaffiner Mensch besonders gefordert, denn du hast einen Einblick darin, wie Online-Communitys sinnvoll und zielorientiert zu führen sind. Dieses Wissen solltest du jetzt deinen Mitmenschen zur Verfügung stellen und mit dialogischem Feingefühl Gemeinschaftsgeist und Zusammenhalt herstellen.
Wer diesen Weg der Überwindung der Krise wählt, der wird die Feststellung machen: eine Community, richtig aufgezogen, ist eine machtvolle Einrichtung, die einen Rückzugsraum in dieser schwierigen Lage eröffnet. Das macht sie wiederum zum Öffnungsraum, in dem der Austausch von Sorgen, Ängsten und auch Hoffnungen neue Kräfte mobilisiert.
Wenn du auf diesem Wege dein Wissen über Community Management einbringst, hilfst du deinen Mitmenschen, eine positive Grundeinstellung wahren zu können. Dieser Effekt wird auf dich selbst zurückstrahlen …
Nach-Corona-Beziehungen
Vielerorts werden sich communityartige Zusammenschlüsse von Personen ergeben, die ohne das gemeinsame Interesse der Corona-Bewältigung nie in einem virtuellen Gemeinwesen zusammengefunden hätten. Warum sollten sich diese Beziehungen nicht in der Zeit nach Corona fortsetzen?
So gilt es denn, das Dilemma dieser Tage als Chance zu begreifen. Aus der Schaffung neuer Gemeinschaftsgefühle vor dem Hintergrund einer krisenhaften Lage können sich dauerhafte Beziehungen auch für die Nach-Corona-Zeit entwickeln …
Auch dafür: bleibt gesund!