In ihrem Buch Digital Community Management (2017) haben Julia Tanasic und Claudia Casaretto ein plausibles Modell für die Lebenszyklen von Communitys vorgestellt. Demgemäß durchläuft jede Community 4 Lebensphasen:
- Phase 1 = Gründung
- Phase 2 = Gestaltung
- Phase 3 = Wachstum
- Phase 4 = Reife
Am Ende dieser Lebenszyklen steht eine Form von Auflösung. Eine Hauptursache dafür ist, dass eine Community an Bedeutung und Standing verloren hat. Oder aber sie wächst weiterhin so stark, dass die Ausdifferenzierung in Fraktionen bzw. Subcommunitys immer weiter um sich greift.
Wenn das Management einer Community die diversen Fraktionen oder Subcommunity nicht mehr unter einen Hut bringen kann, drängt sich der Entschluss zu einer Aufspaltung förmlich auf. Ist sie erfolgt, beginnen für die Spin-off-Communitys die Lebenszyklen von Neuem.
Fraktionsbildung ist kein Zeichen von Krise
Es ist kein Zeichen von Krise und schlechtem Management, wenn in einer Community signifikante Gruppierungen hervorstechen. Die dabei zutage tretende Eigendynamik ist mit dem Prozess der Bildung von Subkulturen in einer Gesellschaft vergleichbar. In diesem Zusammenhang lässt sich metaphorisch von Zentrifugalkraft oder Entropie sprechen.
Die Bildung von Fraktionen ist eher ein Zeichen von Stärke als von Problemen. Wenn sich um ein bestimmtes Teilgebiet im Interessenspektrum deiner Community Gruppen bilden, dann spricht das für die Qualität des Community Engagement, das du durch deine Arbeit angestoßen hast.
Hier ein einfaches Beispiel: In einer Bücher-Community werden Titel aus allen Genres vorgestellt und diskutiert. Im Laufe der Zeit stellt sich heraus, dass sich um das Thema Literarisch anspruchsvolles Buch eine Fraktion bildet, denen die Diskussion über das, was sie als Trivialliteratur ansehen, zu flach wird. Es besteht dann eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass diese Gruppe sich aus der Community herauslösen wird.
Problematik von Fraktionsbildungen
Meinungsstarke Fraktionen mit starker Konzentration auf ein wichtiges Thema ist ein Faktor von Attraktivität einer Community . Fraktionsbildungen wachsen sich nur dann zum Problem aus, wenn sie nicht richtig gemanagt werden. Probleme treten dann auf, wenn eine Fraktion sich im Rahmen der gesamten Community nicht genügend gewürdigt und betreut fühlt.
Das wird vor allem im zwei Fällen vorkommen:
- wenn der Community Manager nicht mehr ganz die nötige fachliche Kompetenz hat, um den Dialog innerhalb einer Fraktion sachgerecht zu moderieren
- wenn das Content-Angebot den Anforderungen einer bestimmten Fraktion nicht mehr Genüge leisten kann
In beiden Fällen kann die Integrität der Community erheblichen Schaden nehmen. Fühlt eine Fraktion sich in irgendeiner Form vernachlässigt, dann besteht die Gefahr, dass sie zu einer unkoordinierten Abspaltung provoziert wird.
Subcommunitys aktiv managen
Was also tun als Community Manager? Das Beste, was du tun kannst, wenn du die Bildung einer starken Fraktion bemerkst, ist es, aktiv in diesen Prozess einzugreifen. Sobald eine Fraktion die Tendenz zur Absonderung zeigt, eröffnet sich Handlungsbedarf.
Du musst dann überdenken, ob es in Zukunft überhaupt noch gelingen kann, die Subcommunity im Rahmen der gesamten Community zu integrieren. Wenn das nicht der Fall ist, musst du eine Lösung finden, die die Mitglieder der Fraktion in deiner bzw. der Einflusssphäre des Betreibers halten.
Diese Lösung wird in vielen Fällen so aussehen, dass die Subcommunity eine eigenständige Existenz unter neuem Namen bekommt. Selbstverständlich sollte eine enge Verbindung zur ‚Herkunfts’-Community bestehen bleiben.
Neues Management für die Subcommunity
Untergruppen von hoher thematischer Geschlossenheit benötigen in der Regel ein neues Management. Wenn du die Abspaltung der Subcommunity planst, solltest du eine Strategie haben, wie du diesen Anspruch am besten erfüllst.
Im Idealfalle findet sich innerhalb der Subcommunity ein Mitglied, dass die Management-Aufgaben übernehmen will und vor allem auch kann. Auf fachlicher Ebene dürfte dies weniger ein Problem sein, da er ja meist mit der Thematik der Subcommunity bestens vertraut ist.
Die Frage ist, ob ein Kandidat auch die Qualitäten und Fähigkeiten hat, die jeder gute und effiziente Community Manager aufweisen sollte. Wenn du es bist, der die Auswahl zu treffen hat, solltest du sehr genau prüfen, ob du den richtigen Manager gefunden hast.
Eine zweite Möglichkeit besteht darin, das Management von den Mitgliedern bestimmen zu lassen. Als Kandidaten eignen sich natürlich besonders die User, die schon vorher Moderations- oder Administrationsaufgaben durchgeführt haben.
Effektiveres Arbeiten in Subcommunitys
Die Arbeit im verengten Rahmen einer Subcommunity gestaltet sich für das Management effizienter, als dies im Rahmen des Gesamtverbundes möglich gewesen ist. Zum Beispiel müssen bei Texten oder Posts an die gesamte Community keine Rücksichten auf ausgrenzende Fachbegriffe oder –diskurse genommen werden.
Der Content kann passgenau auf die speziellen Bedürfnisse der neuen Community zugeschnitten werden. Dies führt zu einer weiteren Qualitätssteigerung von Diskussion und User Generated Content.
Community-Software und Subcommunitys
Für die meisten Softwares für Communitys stellt das Management von Subcommunitys kein Problem dar. Besonders in B2B-Communitys finden häufiger Abspaltungen von Subcommunitys statt. Daher ist der Vorgang ein wichtiges Feature von Software-Lösungen für B2B-Communitys, zum Beispiel bei IBM.
Bei Software-Paketen für den B2C-Bereich wird die Bildung von Subcommunitys quasi antizipiert. In diesen Paketen, zum Beispiel bei Ning oder Hivebrite, ist eine Segmentierung von Communitys in einzelne Gruppen möglich. Eine entsprechende Aufteilung kann schon im Rahmen der Konzeption erfolgen, sie lässt sich aber auch im nachhinein implementieren.
Fazit: Wie auch immer du mit dem Thema Subcommunity in Berührung kommst, du solltest es pragmatisch angehen. Wenn Tendenzen zur Gruppenbildung vorhanden sind, bringt es nichts, sich dem entgegenzustellen. Eine koordinierte Lösung, bei der sich abtrennende Subcommunitys mit deiner Community freundschaftlich verbunden bleiben, ist für alle Beteiligten das Beste.